Sunday, January 13, 2008

Treppen, Märkte, Geister: das Croix Rousse in Lyon

... und hier ist er auch schon: der erste "cross-gepostete" Beitrag. Das Wort "cross posten" habe ich gestern erfunden, es heißt so viel wie "an zwei Stellen veröffentlichen". Aber das ist ja deutsch und nicht trendy genug. Viel Spaß beim Lesen ...

Beim Beitrag über die Vogue la Galère ist es schon einmal aufgetaucht: jenes ominöse Schlagwort "Croix Rousse". Und so fragte mich nur kurze Zeit später ein Freund ganz unverständig: "Was ist denn eigentlich das Russenkreuz, von dem du da schreibst???"

Wird also Zeit, mal Klärung zu schaffen. Croix Rousse ist erst einmal schlicht und ergreifend der Name des Viertels, in dem ich wohne. Wer glaubt, man könne eine Sache verstehen, wenn man weiß, was der Begriff bedeutet, kann jetzt mit dem Lesen aufhören. Für alle anderen habe ich allerdings einiges mehr zusammengestellt.

Une petite histoire de la Croix Rousse

Das Croix Rousse liegt auf einem von zwei Hügeln Lyons. Auf dem anderen Hügel, dem "Colline de la Fourvière", stehen vor allem Kirchen, deswegen nannte man ihn den "Hügel, der betet". Das Croix Rousse nannte man folgerichtig den "Hügel, der arbeitet", weil dort viele Arbeiter wohnten (vor allem aus dem Textilgewerbe). Laut einer meiner ersten Vorlesungen ist das Viertel mit 27000 Einwohnern das dichteste der Stadt.

Nun gab es allerdings ein Problem: Es gab nämlich (fast) keine Straße, die von Norden nach Süden aus dem Viertel herausführte. Ungünstig, wenn man nach Lyon wollte. Statt Straßen in Schlangenlinien zu benutzen haben die Bewohner dann halb private Treppen zwischen den Häusern gebaut. Und so kommt es, dass man heute von nahezu überall im Croix Rousse nach Lyon gehen kann, allerdings über Treppen, Treppen, und Treppen. Für den Bewohner heißt das: viel Sport. Für die UNESCO jedoch bedeutete das, dass man das Viertel als Weltkulturerbe anerkannte, um diese Lebensweise zu schützen.

Comment on vit dans « Le Village »

"Le Village", so nennt man das Croix Rousse im Volksmund von Lyon. Das liegt daran, dass man hier wirklich das Gefühl hat, in einem Dorf zu leben. Hier ist meine Top 3, was das Leben im Croix Rousse angeht. Wer es noch nicht gemerkt hat: ich liebe es!

Platz 3: So nah und doch so fern

Das Croix Rousse liegt auf einem Berg am Rand der Stadt. Das bedeutet: man ist innerhalb von 10-15 Minuten zu Fuß am Hôtel de Ville und damit in der Innenstadt. Wenn keine Metro mehr fährt, geht man halt zu Fuß nach Hause (obwohl das natürlich anstrengend ist, bei den ganzen Treppen). Andererseits bedeutet die Lage auf dem Berg aber auch: ins Croix Rousse geht nur, wer dorthin will. Kein Durchgangsverkehr. Und nach wenigen Wochen kennt man die ersten Leute auf der Straße.

Platz 2: Der Markt

Frankreich ist das Land des guten Essens, und so sind Märkte noch ziemlich verbreitet. Im Gegensatz zu Deutschland sind sie 1. günstiger als Supermärkte und 2. wesentlich öfter. Im Croix Rousse gibt es jeden Tag Markt. Man findet dort unglaublich gutes Gemüse und Obst, dazu Fleisch und Milchprodukte. Und so geht man also zwei- bis dreimal die Woche zum Markt, kauft für ein paar Euro Essen und unterhält sich mit den Händlern. Die merken übrigens leider immer noch sehr schnell, dass man kein Muttersprachler ist. Aber nun gut, man kann ja auch nicht alles haben.

Platz 1: Der Geist der "Croix Roussiens"

Neulich sprach ich in einer Kneipe mit einem Mann, der mir etwas vom "l'esprit de Croix Roussiens" erzählte. Ein paar Tage davor sprach ich in einer Kneipe ebenfalls mit einem Mann, der mir ebenfalls etwas vom "l'esprit de Croix Roussiens" erzählte. Muss also was dran sein. Und tatsächlich atmet das ganze Viertel den Geist der Leute, die hier wohnen - und das sind vor allem Familien und Künstler. Ein Mann, der sich Crieur Public nennt, stellt sich jeden Sonntag auf den Marktplatz und erzählt. Einfach so, für lau. Er erzählt Geschichten und Eindrücke von Leuten, die sie ihm geschickt haben. Auch das einfach so. Eine Gruppe engagierter Leute organisiert die Vogue la Galère, weil sie auf die offizielle Kirmes keine Lust haben. Man kommt von einem Ausflug nach Hause, und auf dem Marktplatz sieht man plötzlich eine Gruppe Künstler, die Spiele mit Clowns veranstalten. In jeder Kneipe hängt ein Plakat mit einem Theaterstück, das eine Gruppe Bewohner hier demnächst aufführen wird. Es gibt eigene Webseiten wie croixrousse.net oder das WebTV. Schwer zu sagen, was dieser Geist nun genau ist. Aber er hat etwas Interessantes. Demnächst mehr dazu.


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